Eingebauter Verschleiß bei Elektrogeräten – Deutsche Verbraucher erhalten mehr Macht
Gekauft, genutzt, geschreddert – dieser Dreisprung der modernen Konsumwelt vollzieht sich oft in einem hohen Tempo. In einem allzu hohen Tempo, wie nicht nur die Mahner der einschlägigen Umweltorganisationen meinen. Auch die EU-Kommission will die ressourcen- und energiefressende Praxis des fest eingebauten Verschleißes – Fachleute sprechen von - Obsoleszenz – mit neuen Regeln erschweren.
Mit der neuen EU-Warenkaufrichtlinie, die inzwischen in Deutschland in nationales Recht umgesetzt worden ist und die endgültig am 1. Januar 2022 in Kraft treten soll, stärkt Brüssel die Verbraucherrechte. Das gilt vor allem für Produkte mit digitalen Komponenten, vom Smartphone bis zur HighTech-Waschmachine
Bei solchen Geräten – und es werden immer mehr – ist nicht einmal der Einbau eines gewollt minderwertigen mechanischen Bauteils erforderlich, um für vorzeitige Schrottreife zu sorgen. Er kann schon reichen, ältere, aber noch funktionstüchtige Geräte von regelmäßigen Software-Updates auszuschließen, um ihre Nutzung in der durchschaubaren Absicht zu erschweren, den Absatz von Neuware anzukurbeln.
Solche Praktiken haben erhebliche finanzielle Folgen. Nach einer Studie des Öko-Instituts könnten die Verbraucher jährlich 3,67 Milliarden Euro einsparen, wenn Mobiltelefone, smarte Fernseher, Notebooks und andere Artikel länger halten würden. Ein Überblick über die Neuregelungen.
Für „Sachen mit digitalen Elementen“, so der Gesetzgeber im klassischen Juristen-Deutsch, tritt Anfang kommenden Jahres eine Verpflichtung zur Aktualisierung der verwendeten Software in Kraft.
Der Verkäufer der Ware oder der Anbieter eines digitalen Service muss also künftig seine Kunden über notwendige Updates, darunter vor allem sicherheitsrelevante Aktualisierungen, informieren und sie ihnen zur Verfügung stellen. Der Käufer kann die bereitgestellte Aktualisierung nutzen, er muss es allerdings nicht. Im letzteren Fall ist das Unternehmen seine Haftung für eine Verschlechterung der Funktion los.
Der Zeitraum der Aktualisierungspflicht für die Anbieter ist begrenzt. Er werde „regelmäßig mindestens den Haftungszeitraum von zwei Jahren umfassen, in einigen Fällen aber auch darüber hinausgehen“, notieren die Juristen Phillip Bubinger und Arne Schmieke von der Kanzlei CMS Hasche Sigle in einem Überblick über die Neuregelung.
Verbraucherschützer kritisieren die Frist als zu kurz. Sie sei bei langlebigeren Gütern nicht ausreichend. Die Bundesregierung wiederum verweist auf Sonderregelungen bei Waren, für die eine „dauerhafte Bereitstellung digitaler Elemente“ den Kern des Kaufs bilden, und nennt als Beispiele Verkehrsdaten in Navi-Systemen, die Cloud-Anbindung einer Spielekonsole oder ein Notebook. Welcher Zeitraum für welches Produkt genau gilt, darüber werden am Ende wohl die Gerichte entscheiden müssen.
Die neue Gesetzgebung stärkt die Stellung der Verbraucher künftig auch bei nicht-digitalen Produkten. Schon bisher war klar, dass aufgeplatzte Nähte an Kleidungsstücken, zerbeulte Toaster oder undichte Gartenschläuche Mängel aufweisen, die kein Kunde hinnehmen muss.
Stellt sich nur die Frage: Wer war schuld an dem Malheur? Bislang ging der Gesetzgeber für die ersten sechs Monate nach dem Kauf generell davon aus, dass ein solcher Sachmangel schon beim Kaufakt vorlag – was eine Beweislastumkehr zugunsten der Konsumenten darstellt. Der Verkäufer muss in solchen Fällen die fehlerhafte Ware zurücknehmen und den Preis erstatten.
Diese Frist wird nun auf ein Jahr verlängert. Dem Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv) reicht das nicht aus. Er fordert eine Verlängerung der Beweislastumkehr auf zwei Jahre. Im Rahmen der neuen EU-Richtlinie wäre das möglich, auf der nationalen Ebene ist es aber in Deutschland nicht dazu gekommen.
Darüber, was genau ein Sachmangel ist, kann man sich trefflich streiten – und tut das häufig auch. Neu und ganz im Sinne der Bekämpfung von Obsoleszenz gilt die Regel, dass nicht nur Mängel in der Gebrauchsfähigkeit, sondern auch fehlende Haltbarkeit an sich künftig ebenfalls einen Mangel darstellen kann.
Was wie lange halten muss, um als mängelfrei zu gelten, diese Frage eröffnet allerdings ein weites Betätigungsfeld für Rechtsanwälte. Die Richtlinie beschreibt Haltbarkeit lediglich „als die Fähigkeit der Waren, ihre erforderlichen Funktionen und ihre Leistung bei normaler Verwendung zu behalten“.
Doch was ist „normal“? Ein Billigartikelhält eben in der Regel nicht so lange wie ein Edel-Produkt, und ein selten benutztes Erzeugnis ist meist länger zu gebrauchen als ein intensiv abgenutztes. „Es bleibt abzuwarten, welche praxisrelevanten Änderungen die Umsetzung der Richtlinie mit sich bringt“, ahnen Schmieke und Bublinger.
Schickt ein Kunde einen gekauften Artikel als fehlerhaft an den Händler zurück, muss der Verkäufer den Preis erstatten, sobald die Ware bei ihm eintrifft. Die Ankunft des Pakets ist in der Praxis jedoch schlecht nachzuweisen. Auch in diesem Punkt senkt der Gesetzgeber die Hürden für die Verbraucher.
Ab dem kommenden Jahr reicht es aus, wenn der Käufer Belege vorweisen kann, nach denen er das monierte Stück zurückgesandt hat. Dazu reicht nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums beispielsweise ein Einlieferungsbeleg der Post oder eines anderen Transportunternehmens aus. Auch die Kosten für die Rücksendung gehen in einem solchen Fall zulasten des Verkäufers.